Japanische Etikette
Auch nach anderthalb Jahrhunderten intensiven Kontakts mit dem Westen bestimmen
viele Traditionen und Gebräuche aus jahrhundertealter Geschichte weiter
den modernen japanischen Alltag. Diese Traditionen sind weitgehend im Zusammenleben
von Japanerinnen und Japanern im Lande selbst von Bedeutung, doch ist deren
Kenntnis auch für ausländische Besucher Japans bzw. beim Empfang
japanischer Gäste unerlässlich. Dies gilt gleichermassen für
die private wie auch für die geschäftliche Sphäre.
Allgemeines
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Schuhe werden vor Betreten des Hauses ausgezogen. Dafür stehen am
Eingang Pantoffeln ("slippers") bereit. Dies gilt auch für Spitäler,
Bäder oder Tempel, nicht aber für Geschäftshäuser.
Vor dem Betreten von Tatamimatten werden auch die Pantoffeln ausgezogen.
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Die Begrüssung erfolgt durch gegenseitiges Verbeugen, wobei der soziale
Rang und die aktuelle Situation Grad, Dauer und Frequenz des Beugens bestimmen.
Gegenüber ausländischen Besuchern setzt sich - namentlich im
Geschäftsverkehr - der Händedruck immer mehr durch. In der Regel
genügen seitens Ausländern eine leichte Verbeugung, bzw. ein
Kopfbeugen.
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Geschenke sind das A und O bei Begegnungen jeglicher Art. Das Schwergewicht
liegt dabei eher auf einer hübschen Verpackung als auf dem Inhalt,
denn teure Geschenke müssen mit noch teureren vergolten werden. Kommt
man aus Europa, empfehlen sich Mitbringsel aus dem Ursprungsland, wie z.B.
Schokolade, Stickereien, Uhren etc. aus der Schweiz.
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An Komplimenten sollte keinesfalls gespart werden, auch wenn dies zuweilen
als Schmeichelei empfunden werden mag.
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Naseschneuzen in der Öffentlichkeit gilt als unhöflich.
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Das tägliche Bad vor dem Schlafengehen gehört zum festen Ritual
jedes japanischen Haushalts. Gäste sollten oder dürfen sich diesem
Brauch ebenfalls unterziehen, wobei darauf zu achten ist, sich vor dem
Gang in die Wanne gründlich zu waschen und abzuspülen. Die Wassertemperatur
liegt mit über 40°C erheblich über europäischen Gewohnheitswerten,
also langsam eintauchen! Als Gast geniesst man häufig das Privileg,
das Bad zuerst zu benützen. Das Badewasser sollte deshalb nicht abgelassen
werden.
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Die japanische Sprache gilt als schwierig, hat aber den Vorteil, leicht
ausgesprochen zu werden (im Gegensatz etwa zum Chinesischen). Sprachkenntnisse
sind stets ein Plus, auch wenn sie sich bloss auf Elementares beschränken,
wie "san" ("Herr/Frau", hinten am Namen angehängt: "Tanaka-san"),
"konnitschi wa" ("guten Tag") oder "arigato" ("danke").
Essen
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Die Bewirtung von Gästen mit Speise und Trank und zählt auch
in Japan zu den wichtigsten Gepflogenheiten der Gastfreundschaft. Allerdings
wird in der Regel eher ins Restaurant eingeladen als nach Hause.
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Das Anstossen geschieht mit dem Zuruf "kanpai" (wörtl.: "ex!", was
aber normalerweise nicht ganz wörtlich zu nehmen ist).
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Zu Essensbeginn bedankt sich der Gast mit "itadakimasu" ("ich empfange").
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Beim Essen mit Stäbchen sollten ein paar rudimentäre Regeln beachtet
werden: u.a. die Stäbchen nur in einer Hand zu halten, die Speisen
damit nicht aufzuspiessen, sondern einzuklammern, und nach Gebrauch die
Essstäbchen geordnet zur Seite zu legen. Speisen an andere weiterzugeben
sollte nur mit den oberen, nicht verwendeten Stäbchenteilen erfolgen.
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Sojasauce sollte man nicht direkt auf den weissen Reis giessen.
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Sich selber einzuschenken gilt als verpönt; beim Nachschenken halten
die Gäste ihr Glas mit beiden Händen hoch.
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Suppen- und Reisschüssel dürfen beim Essen direkt unter den Mund
gehalten werden; Schlürfen ist erlaubt.
Geschäft
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Pünktlichkeit gilt als absolute Tugend; Verspätungen sind ein
schweres Manko, aber auch zu frühzeitiges Erscheinen wird nicht goutiert.
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Die Visitenkarte ist unerlässlich, da sie nicht nur den Namen enthält,
sondern auch über den hierarchischen Status der Geschäftspartner
Auskunft gibt. Bei einer Japanreise sollten nach Möglichkeit doppelseitig
bedruckte Karten (englisch-japanisch) mitgeführt werden. Der Austausch
der Visitenkarten erfolgt mit leichter Verbeugung und mit beiden Händen.
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Gute Kleidung ist auch für ausländische Besucher angesagt, wobei
Krawatte und dunkler Anzug meist ein Muss darstellen.
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Die Sitzordnung erfolgt nach Gesichtspunkten der Ehrerbietung, so dass
Ausländern in der Regel die Ehrenplätze fern vom Ausgang angeboten
werden. Diese sollten indes erst nach ausdrücklicher Aufforderung
eingenommen werden.
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In den Geschäftsverhandlungen wird selten "hart", d.h. im Sinne von
entweder-oder verfahren. Ausländer werden stattdessen viel Zustimmung
zu hören bekommen, sollten sich aber gleichzeitig davor hüten,
diese als definitives Einverständnis zu werten, da sie zunächst
oft nur linguistisch als Zeichen einer richtig verstandenen Frage gemeint
ist.
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Nach dem Mahl bedankt man sich mit "gotschisosama deschita" ("es war köstlich").
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Ein Essen in Japan wird auf jeden Fall vom (japanischen) Gastgeber bezahlt.
Dennoch ist der Gast wohl beraten, sich kurz selbst um die Rechnung zu
bemühen. Keine Sorge: dies wird stets vehement abgelehnt.
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Trinkgelder werden in Japan prinzipiell nicht ausgerichtet.
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